Donnerstag, 30. Mai 2019

Das Fahrrad, mehr als nur ein Fortbewegungsmittel.

Jeder in Deutschland kennt das Fahrrad. Jeder geht davon aus, dass es mindestens drei Gänge hat, wenn es nicht gerade ein Kinderrad ist, jeder weiß wie man es fährt und (fast) jeder hat eines Zuhause herum stehen. Es gibt riesige Debatten in Deutschland über autofreie Städte und den Ausbau von Fahrradwegen. Es wird von fahrradfreundlichen Städten gesprochen. Es gibt Arbeitgeber, die es fördern, dass ihre Mitarbeiter mit dem Rad zur Arbeit kommen, um eine ausgewogene Work-Life-Balance zu haben. Es gibt einen riesigen Markt für Elektrofahrräder, damit auch die ältere Bevölkerung in Bewegung bleibt und zum Klimaschutz und der Gesundheit beitragen kann. Wer nicht mit dem Auto zur Arbeit kommt, sondern bei Wind und Wetter mit dem Rad fährt, der wird bewundert. In Deutschland vielleicht, ja, aber längst nicht überall. Wir waren drei Monate in Indien und sind gerade in Nepal und haben die Hauptstadt Kathmandu erreicht. Auf dem Weg dorthin haben wir viele Radfahrer getroffen, die wir Berg auf überholt haben, da sie keine Gangschaltung haben. Wir haben sie bewundert, wie sie es machen, ohne Gangschaltung, mit einer 8 im Reifen, mit viel zu wenig Luft und viel zu schwerer Ladung, stetig weiter zu treten. Hier wird das Fahrrad von denjenigen benutzt, die sich kein Auto leisten können. So werden die täglichen Erledigungen und alles andere mit dem Rad erledigt. Morgens werden die Kinder zur Schule gefahren (es ist ein herrlicher Anblick eine ganze Familie auf nur einen Rad sitzen zu sehen) und mittags wieder abgeholt. Wenn ein Großeinkauf anfällt, wird auch der Mehlsack zwischen den Stangen balanciert und wenn es Baumaterialien benötigt, um das Haus in Stand zu halten, wird dass Wellblech, der Stahlträger oder das Holz hinten aufs Fahrrad gespannt. Wenn es zu Feierlichkeiten eine Ziege geben soll, wird diese mit dem Rad zum Schlachter gefahren und “Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“, auch wenn es schon lange nicht mehr fahrtüchtig ist, dient es immer noch dazu Dinge von A nach B zu transportieren. Viele Menschen verdienen ihr Geld mit Fahrradfahrten. Dazu schweißen sie sich ein dreirädriges “Lastenrad“ und bringen Bestellungen usw. von einem Ort zum anderen Ort. Andere verkaufen Tupperwaren, Obst oder Snacks vom Fahrrad aus und manche haben sogar eine fahrbare Küche mit einem Gaskocher dabei. In den Großstädten gibt es dreirädrige Taxi-Rikschas und Fahrrad-Eisstände. Die Menschen sind weit aus kreativer als wir deutschen mit unseren “perfekten“ Rädern. Die Menschen, die nicht die Möglichkeit haben aufrecht auf einem Zweirad zu sitzen schweißen sich ein Sitzrad, mit dem sie sich fortbewegen können. Es werden Sondermodelle für die untypischsten Situationen zusammen geschweißt und wenn für die kleinen Kinder das große Herrenrad zu groß ist, steigen sie unter der Stange aufs Rad und fahren im Stehen (dabei müssen sie ihren Oberkörper an der Stange vorbei biegen um den Lenker fest zu halten). Doch was leider noch nicht angekommen zu sein scheint, ist, dass das Rad für jedermann ist und nicht nur für diejenigen, die sich kein Auto oder Motorrad/Scooter leisten können. Wir haben Menschen getroffen, die meinten, sie würden gerne mehr Sport machen und Fahrrad fahren, doch “wie würde es denn aussehen, wenn sie zu ihrem Geschäft mit dem Rad kommen würden“. Wie würde die Kunschaft schauen und was würden erst die Nachbarn sagen. Fahrrad fahren ist kein Modesport mit dem man sich schmückt und soziale Anerkennung erhält. Wir wurden von einem engagierten Fahrradfahrer aus Kathmandu eingeladen, mit Schülern und Studenten zu quatschen. Wir sollen ihnen das Fahrrad fahren schmackhaft machen und ihnen die Vorteile aufzählen. Denn in Kathmandu gibt es seit einigen Jahren eine Bewegung, von viel zu wenigen Menschen, die versuchen die Menschen auf das Fahrrad zu bringen, um so die Luftverschmutzung zu verringern. Doch es ist schwierig und ich muss sagen, dass Fahrrad fahren auf den Straßen Indiens und Nepals ist auch nicht das sicherste. Enge Straßen, viele Fahrzeuge, keine Regeln, viele Löcher und schlechte Luft. Doch dennoch ist das Fahrradfahren ein gutes alternatives Fortbewegungsmittel, welches sich überall im großen Stil durchsetzen sollte. Wir beide bewegen zwar nur kleine Taschen und leichtes Gepäck, mit Gangschaltung und Luft im Reifen, aber dennoch hoffe ich bei wenigen Menschen trotzdem etwas bewegen zu können :)

Montag, 27. Mai 2019

Suchbild

Manchmal finden wir echt traumhafte Plätze für unser Zelt. Wir sitzen dann gemeinsam vor dem Zelt bis es dunkel wird und uns die Mücken zerstechen. Wir schauen uns den Sonnenuntergang an und essen unser Abendbrot. Doch manchmal ist es schwer in den Bergen einen geraden Platz zu finden und dann schlafen wir direkt neben der Straße. Wer entdeckt das Zelt?

Mittwoch, 22. Mai 2019

Ein Ausblick, acht verschiedene Bilder

In den Bergen macht das Wetter was es will. In einer Stunde scheint die Sonne über den Berg und in der nächsten Stunde ziehen dicke Regenwolken herüber. Morgens war in einer Stunde nichts zu sehen und in der nächsten war strahlender Sonnenschein. Es war jedes Mal eine Überraschung wenn man erneut in Almora (Vorhimalaya) aus dem Fenster blickte. Und oft hatte man nur wenige Minuten Zeit das Gemälde, was vor einem lag, einzufangen.

Montag, 13. Mai 2019

Zuckerrohr

Zuckerrohr (Saccharum officinarum) ist eine Pflanze aus der Familie der Süßgräser. Das Erscheinungsbild ist grasartig und die Halme haben einen Durchmesser von 20 bis 45 mm und erreichen eine Höhe von 3 bis 6 Metern. Ich denke jeder hat ein Bild vor Augen. Der Ursprung liegt in Ostasien, doch heute wird die Pflanze in allen klimatisch geeigneten Regionen angebaut und sie ist der wichtigste Rohstofflieferant für die Herstellung von Haushaltszucker. Wir sind hier in Indien zwei drei Mal durch eine Zuckerrohrgegend (Foto) gefahren und haben so einiges gesehen und kennen gelernt. Die Anpflanzung des Zuckerrohrs geschieht über Stecklinge. Nach ein bis zwei Wochen treiben die Stecklinge aus und die erste Ernte, das Schneiden des Rohrs, kann 9 bis 24 Monate nach dem Auspflanzen erfolgen. Der Erntezeitpunkt richtet sich nach Zuckergehalt und Reifegrad. Die Halme werden direkt über dem Boden abgeschnitten, am oberen Ende der zuckerlose Blattapparat entfernt und zu Bündeln zusammen gelegt. Die Überreste werden oft noch direkt auf dem Feld verbrannt. Die „Halmstümpfe“ schlagen wieder aus und nach weiteren 12 Monaten kann die nächste Ernte geschnitten werden. Ein Zuckerrohrbestand kann bis zu acht Mal geerntet werden. Die Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern sind teilweise problematisch. Es ist harte Handarbeit und häufig werden Kinder und Frauen als Arbeitskräfte eingesetzt; geringe Bezahlung ist ohnehin meist an der Tagesordnung. Nachdem der Zuckerrohr geschnitten und gestapelte wurde wird er auf Ochsenkarren (Foto), Anhänger oder Trucks geladen. Oft werden die Trucks so voll beladen, dass es den Anschein macht als würden sie gleich umkippen (Foto). Der Zuckerrohr wird hauptsächlich für die Gewinnung von Zucker genutzt und so wird er direkt zu den umliegenden Zuckerfabriken transportiert und dort wieder abgeladen. Die Fabriken sind nicht groß (Foto), oft direkt an der Straße und meist in einer Region. In der Fabrik wird der durch Pressen gewonnene Zuckersaft durch Kristallisation und Raffination zu Rohrzucker verarbeitet. Das geschieht meist im Freien und als Fabrikgebäude dient ein Holzschuppen. Um Verunreinigungen auszufällen wird dem erhitzten Zuckersaft während des Fabrikationsprozesses Kalk zugesetzt. Der anfallende Schlamm wird nach ein bis zwei Jahren Lagerung an die Farmer verkauft. Auf den Feldern verteilt dient dieser der natürlichen Bodenverbesserung. Als Nebenprodukt beim Pressen bleibt der faserige Anteil zurück, die Bagasse, die ebenfalls Verwendung findet. Sie wird zum einen etwa zu 30 % als Brennstoff innerhalb der Zuckerproduktion zur Bereitstellung von Wärme und Strom genutzt. Die restlichen 70 % werden in verschiedenen Bereichen als Rohstoff verwendet. Zum Beispiel in Form von Briketts als Brennstoff im Haushalt, oder auch als Grundstoff zur Herstellung von Papier, Kartonagen und Verpackungsmaterialien, wegen des hohen Zellulosegehalts. Aber auch Teller, Schalen und sogar Becher für Heißgetränke können hergestellt werden, sind wasserdicht und biologisch abbaubar. Die Bagasse wird in Treckeranhängern und Trucks transportiert und damit möglichst viel drauf passt, haben sich die Menschen ein Konstrukt aus Stoff gebaut, was dann flexibel über alle Seiten hängen kann. Das Fahrzeug verschwindet meist ganz dahinter (Foto) und um noch mehr einzufüllen, nehmen sich die Menschen aus Bambus zusammen gebundene Leitern zur Hilfe. Wird der Zuckerrohr nicht gepresst, so ist er in gehäckselter Form ein wichtiges Viehfutter für Wiederkäuer. Auch wird der Zuckerrohr während der Erntezeit von den Menschen einfach so gegessen oder als frisch gepresstes und gekühltes Getränk getrunken (Foto). Der braune Zucker wird in Form von Klumpen gerne auch zum Essen gereicht. Es ist wie der Nachtisch, den die Inder allerdings schon zum Essen dazu essen. Wir trinken gerne den frisch gepressten Saft wenn wir an heißen Tagen Fahrrad fahren und den braunen Zucker bieten uns unsere Gastgeber auch oft an, wobei ich nicht so gerne puren Zucker esse. Die Inder hingegen lieben diese Süßigkeiten und naschen des öfteren daran.

Sonntag, 5. Mai 2019

Streetfood? Geh doch gleich ins Krankenhaus!

So wird es einem zumindest in den Medien und Erzählungen vermittelt. Doch für uns stellte es sich als weitaus anders heraus. Ob Pani Puri, Masala Dosa, Pao Baji, Momos, Vada Pav oder Samosas, für uns war einer der Gründe, warum wir nach Indien reisen wollten, das Essen. Die indische Küche ist sehr schmackhaft, abwechslungsreich, frisch, würzig und… nicht immer gut für unsere sensiblen europäischen Mägen!? In Indien gibt es zahlreiche Straßenküchen, die ganze Mahlzeiten und/oder Snacks zu günstigen Preisen anbieten. Und für uns ist die Verlockung groß, die scharfen, traditionellen Gerichte alle zu probieren. Anfangs hatten wir immer noch die Vorurteile im Hinterkopf und haben nur mit großer Vorsicht die Leckereien genossen. Oft haben wir unsere Gastgeber mitgeschleppt, da sie am aller besten wissen wo es an der Straße am besten schmeckt und wo man unbedenklich sein Essen einnehmen kann. Im Iran haben wir so viel Hänchen gegessen, dass wir beschlossen einfach mal für die Zeit in Indien vegetarisch zu leben. Indien ist das Land mit den meisten Vegetariern, wobei bei ihnen auch Eier als nicht vegetarisch gelten. So gibt es Restaurants, die ausschließlich vegetarische Kost anbieten. Davon gibt es sogar mehr als nicht vegetarische Restaurants. Auf den Lebensmitteln, gibt es grüne Punkte für vegetarisch und rote für nicht vegetarisch. So kann man immer sofort sehen, ob es vegetarisch ist oder nicht. Selbst Zucker hat einen grünen Punkt . Zurück zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Fleisch und Fisch rühren wir nicht an, daher kann ich nicht sagen wie es mit nicht vegetarischen Gerichten aussieht. Ich kann aber sagen, dass wir bei vegetarischem Essen nur gute Erfahrungen gemacht haben. Nach der anfänglichen Vorsicht sind wir in die Vollen gegangen und haben alles probiert, was wir nur finden konnten. Tagsüber stoppen wir für unser Mittagessen direkt an der Straße bei einem der kleinen Stände. Und zwischendurch trinken wir Tee an einem der unzähligen Shops. Zum Mittag wird uns dann zuerst das Wasser hingestellt, welches wir allerdings nicht anrühren. Vom Wasser lassen wir lieber die Finger, außer es ist gefiltert oder aus einer geschlossen Flasche. Vor unseren Augen wird dann dass frische Gemüse geschnitten und die Rotis gerollt. Heiß und fettig kommt dann das Essen direkt auf unsere Teller. Ja, fettig kochen die Inder gerne. Aber sie nutzen nicht das bei uns so beliebte Bratöl, sondern Gee. Das ist eine Form verarbeiteter Butter und es darf bei keinem Gericht fehlen. Auch Kartoffel, Zwiebeln, Chilli und Koriander darf nicht fehlen. Hier im Norden wird oft über dem Feuer gekocht, sodass das Essen und der Chai eine ganz besondere Note bekommt. Aber unwohl oder angeekelt haben wir uns bis jetzt noch nie gefühlt, wenn wir an einem der vielen Straßenküchen angehalten haben. Da die Inder eine große Snack-Kultur haben sind die Straßenküchen auch immer gut besucht und so bleiben keine Reste über und es lohnt sich frisch zu kochen. Ich denke aber was uns geholfen hat ohne große Margenprobleme bis hier her zu kommen ist das lange Reisen durch viele Länder mit anderen Bakterien, Keimen und Krankheiten. So konnten sich unsere Mägen langsam daran gewöhnen und so konnten wir die weite, schmackhafte Welt der indischen Straßenküche genießen. Richtig gelesen, wir konnten es genießen. Ich schreibe es in der Vergangenheit da wir nur noch 40 km Luftlinie von Nepal, unserem nächsten Land, entfernt sind :)

Samstag, 4. Mai 2019

Kopf hoch, Hut ab!

Wahnsinn was die indischen Frauen alles auf ihrem Kopf tragen! Ob ein Eimer voll Wasser, ein Sack voll Getreide, ein Haufen Stöcker, ein Bündel voll Gras, lange Eisenstangen oder einfach nur den täglichen Einkauf, egal wann wo oder was, nichts kann die Last zu Fall bringen. Wenn sie uns entgegen kommen nicken sie zum Gruß mit ihrem Kopf und wenn sie die Straße überqueren müssen, schauen sie rechts und links und nicht ein Tropfen Wasser geht verloren. Ich glaube fast jeder hat schon mal versucht irgendetwas auf dem Kopf zu balancieren und jede weiss wie schwer dass ist. Also Hut ab vor den indischen Frauen! Auch die Mädchen fangen früh an im Haushalt zu helfen und tragen so die Dinge auch schon nicht in der Hand, sondern auf dem Kopf. Aber auch die Männer leisten unglaubliches. Vor allem in den Bergen, wo nicht überall das Auto, die Sackkarre oder die Schubkarre hinkommt. Dort tragen sie alles, nur mit Hilfe eines Seils, auf dem Rücken. Kartoffelsäcke, Wassertanks, Bretter, Kiessäcke, Schränke oder fünf Kartons auf einmal. Dazu wird das Seil vorne auf die Stirn gelegt und hinter dem Rücken unter die Last geklemmt und so schleppen sich die Arbeiter durch schmale Gassen und auf steilen Wegen voran.

Freitag, 3. Mai 2019

Der kleinste Tempel...

...den ich je in Indien im Freien gesehen habe, ist hier auf dem Bild zu sehen. Doch kleiner geht immer. Fast jeder hat zu Hause seinen eigenen Tempel, sogar in den Shops haben sie ihre Tempel direkt neben den Brillen, Handys oder Zeitungen die sie Verkaufen. In jedem Truck hat der Fahrer einen Tempel und nicht selten sieht man auch in den Autos auf dem Amaturenbrett einen kleinen Tempel oder Gott kleben. Es gibt unvorstellbar viele Götter im Hinduismus, sogar regionale Gottheiten haben ihren Platz, sodass jede Region zu denn bekannten Gottheiten noch ihre eigenen hat. Jeder kann selbst wählen zu welchem Gott er beten möchte und je nach dem was ansteht, wie es einem geht oder was man gerade braucht kann man unterschiedliche Götter anbeten. Denn es gibt in allem und für alles einen Gott. Viele Götter bringen viele Feiertage mit sich, da einige einen eigenen Feiertag haben. Dazu kommt noch, dass sie in Indien nicht nur hinduistische Feiertage im Kalender berücksichtigen, sondern auch viele muslimische,buddhistische und christliche Feiertage. Die Schule und die Banken etc. haben dann geschlossen und den Menschen ist es selbst überlassen, ob sie ihren Shop öffnen oder nicht. Da es so viele freie Tage gibt, haben die Schüler zum Ausgleich regulär Samstags Schule. Oft wissen die Menschen nicht was an dem Feiertag gefeiert wird, da der Feiertag in ihrer Religion nicht zelebriert wird. Zum Beispiel wusste die Familie, bei der wir zu Ostern untergekommen waren, nicht warum der Freitag vor Ostern ein Feiertag ist.