Montag, 24. Juni 2019

Bilder vom östlichen Teil Nepals

Krankenhaus

Heute Abend (also vor drei/vier Wochen der Abend) hatten wir beide auf einmal Durchfall. Es war so dringend, dass der eine den anderen vom Klo jagen musste, damit es keinen Unfall gibt. Ich möchte mich für dieses Thema entschuldigen, aber wie wir gemerkt haben gehört es irgendwie doch zu einer so langen Reise dazu und daher möchte ich Euch daran teilhaben lassen :D Ein paar Stunden zuvor, als wir noch auf unseren Rädern saßen merkte ich, wie sich mein Magen zusammen zog. Erst fing er leicht an zu grummeln, was sich schnell zu starken Unruhen ausbreitete und mich innerhalb weniger Sekunden vom Fahrrad in den Graben springen lies. Ich war froh einen relativ ruhigen Platz erwischt zu haben, was hier an dem sehr befahrenen und besiedelten Highway eher die Ausnahme ist. Für den Nachmittag und die Nacht beschlossen wir in ein Hotel zu gehen und so haben wir uns für eine Nacht dort eingerichtet. Die Wäsche, die ich von Hand gewaschen habe, hing quer über dem Bett und der Ventilator drehte sich unermüdlich im Kreis. Zum Abendessen gab es natürlich Dal Bhat (Reis mit Linsensuppe und Gemüse), so wie die ganzen anderen Tage in Nepal auch schon. Die Einheimischen essen Dal Bhat schon zum Frühstück und natürlich auch zum Mittagessen. Wir haben uns auf einmal am Tag beschränkt. Na ja, nach dem Abendessen ging das Rennen um das Klo dann los. Am nächsten Morgen fühlten wir uns allerdings schon wieder etwas besser und “wenn wir auf dem Fahrrad sitzen ist eh alles wieder vergessen“, dachten wir. Also haben wir alles gepackt und sind vier Kilometer in die nächste Stadt zum Frühstücken gefahren. Wir mussten erstaunlich lange auf unsere Samosa warten, dafür waren sie aber auch super frisch. Arne der mir gegenüber saß schwitzte trotz Ventilator und fühlte sich zunehmend schlechter. Wir hofften auf das Essen und dass es ihm danach wieder besser gehen würde. Doch als die Samosa vor uns standen, nahm Arne ein Bissen und sagte leise: “Mein Magen fühlt sich nicht so gut, ich warte draußen auf dich, hier ist es mir zu heiß.“ Wir beschlossen wieder zurück in das Hotel zu fahren, um dort auf Besserung zu warten. Doch die Besserung wollte sich nicht so schnell zeigen. Zuerst wurde die Stirn ganz heiß, dann viel Arne in einen langen Schlaf, der immer wieder unterbrochen wurde, da er auf's Klo gehen/rennen musste. Nachmittags habe ich dann beschlossen, dass wir noch am selben Tag ins Krankenhaus fahren, nachdem ich die Symptome von Malaria gegoogelt hatte. Dazu kam noch, dass wir hier nicht ewig ausharren durften, da unser Visum abläuft. Also sind wir mit einem kleinen Tuk Tuk ins Krankenhaus gefahren. Direkt in die Notaufname und direkt auf die nächste freie Liege. Ein junger Arzt hat sich gleich uns angenommen und begonnen die Daten aufzunehmen. Währenddessen kamen noch weitere neugierige Ärzte an die Liege und begutachteten Arne, drückten ihm am Bauch und stellten ihm alle die gleichen Fragen. Als sie sich dann einig waren was zu tun ist, wurde ich mit einer langen Liste losgeschickt. Ich sollte eine Rechnung bezahlen, ich sollte Medikamente aus der Krankenhausapotheke holen, ich sollte die Stuhlproben und die Blutkatuschen zum Labor bringen und später das Ergebnis wieder abholen. Arne wurde ein Venenkatheter an der Hand gelegt und er bekam nun eine Infusion nach der Anderen. Er wurde zum Röntgen geschickt, warum auch immer, das weiß keiner und konnte uns auch keiner so richtig sagen. Denn so richtig geredet hat keiner mit uns, aber da Arne seit seiner letzten Magengeschichte vor zwei Monaten, immer wieder Probleme hatte und sich der Magen nicht mehr richtig normalisieren wollte, war uns alles lieb, was sie versuchten, um ihn wieder gesund zu bekommen. Mit einer großen Tasche voll mit Medikamenten für die nächsten zehn Tage, einer Virusinfektion und einem Pilz wurden wir nach vier Stunden wieder entlassen. Jetzt hieß es ruhen und nichts tun. Die nächsten zehn Tage haben wir fast ganz ohne Fahrrad fahren verbracht. Wir sind etwas mit dem Zug gefahren, dazu aber in einem anderen Eintrag mehr, haben uns nur kurze Distanzen vorgenommen und sind so wenig wie möglich in die Sonne gegangen. Andererseits wäre Arne nach nur kurzer Zeit, dank dem Antibiotika, total verbrannt. Ich kann Euch jetzt schon mal verraten, dass alles gut lief und Arne wieder ganz gesund ist :)

Unser Frühstück in den letzten drei Monaten..

..bestand entweder aus Samosa (Bild1), Puri mit Kartoffelgemüse (Bild2) oder Roti mit Gemüse (Bild3).

Sonntag, 23. Juni 2019

Umbrella ella ella eh eh eh

In Nepal läuft jeder mit einem Regenschirm umher. Selbst beim Fahrrad fahren halten sie einen Regenschirm in der Hand. Oder die Frau die von ihrem Mann auf dem Gepäckträger gefahren wird hält den Regenschirm. Also eigentlich ist es kein Regenschirm, sondern eher ein Sonnenschirm. Meistens haben sie von unter auch einen Sonnenschutz, sodass die Sonne nicht hindurch kommt. Die Nepalesen sind also nicht ängstlich vor dem Regen, auch wenn es in der Regenzeit sehr praktisch ist, wenn der Schirm sowieso schon gespannt ist, sondern sie haben vor der Sonne und ihrer Hitze Angst. Wir sind jetzt schon wieder in Indien (Nord-Ost-Indien) und auch hier laufen die Menschen mit Regenschirmen/Sonnenschirmen umher und es gibt ganze Geschäfte voll mit Schirmen. Mal wieder eine kleine Anmerkung zu Arnes Größe: normalerweise sind die seitlichen Spitzen der Regenschirme auf Arnes Augenhöhe, doch hier sind die Menschen so klein, dass die Spitzen auf Brusthöhe sind und ihn nicht mehr stören. Allerdings sind sie dann aber auf meiner Augenhöhe :D

Donnerstag, 20. Juni 2019

Häuser aus..

..Bambus, Kuhdung, Stroh, Dachziegel und/oder Wellblech sind keine Seltenheit in Nepal. Auf dem Land ist alles voll mit kleinen Häusern, die meist von großen Familien bewohnt werden. Morgens kann man oft sehen, wie einer nach dem anderen aus dem Haus gestolpert kommt und sich die Augen reibt. Frisch macht sich die Familie dann am Brunnen und gekocht wird über dem Feuer. Die Häuser müssen nach der Regenzeit oft neu mit Kuhdung und/oder Schlamm eingeschmiert werden, sodass die Wände wieder dicht sind. Auch wenn sich Risse bilden streichen sie die Wände einfach neu ein. Wenn in der Kochecke die Wände schwarz vom Ruß sind wird auch da einfach drüber gestrichen. Überhaupt wird das Haus sehr sauber und ordentlich gehalten. Jeden Morgen wird alles einmal ausgefegt und der Müll wird zu einem Haufen zusammen getragen und verbrannt.

Dienstag, 18. Juni 2019

Kathmandu

Kathmandu ist die Stadt in Nepal, wo das Leben stattfindet. Universitäten, Firmensitze, politisches und kulturelles Zentrum, Entwicklungsorganisationen, zentrale Institutionen und vieles mehr. Kathmandu ist mit Abstand die größte Stadt Nepals und zieht tausende Touristen an. So auch uns. Wir sind für vier Tage bei einer netten Familie untergekommen, die gemeinsam ein Restaurant betreibt. Vater, Bruder, Mutter und Sohn. Das Restaurant befand sich im Erdgeschoss auf vier Räumlichkeiten und eine Küche verteilt und wir hatten unser kleines Zimmer im ersten Stock, mit Blick auf den Innenhof und das Restaurant. Wir mussten also nur aus dem Bett stolpern und saßen schon vor einem gedeckten Tisch. Gekocht wurde traditionelles sowie europäisches Essen und alles wurde frisch von der Mutter zubereitet. Kathmandu liegt in einem Tal, das Kathmandu-Tal und wurde ursprünglich von einem Bergvolk bewohnt. Noch heute hat das Kathmandutal eigene Tradtitionen und Gerichte, wie zum Beispiel die “nepalesische Pizza“ (siehe Foto). Sie wird auch in dem Restaurant angeboten und wird auf der Grundlage eines flachen Reisfladens (ähnlich wie Esspapier) belegt und ist ganz ohne Tomatensauce und Käse. Typisch für Nepal allgemein sind die kleinen Momos (siehe Foto), die es mit unterschiedlichen Füllungen gibt. Wir haben täglich eine Portion dieser maueltaschenänlichen Teigtaschen gegessen und immer wieder auch die Eigenkreationen der Familie probiert, wie zum Beispiel gefüllte Pfannkuchen und japanische Gemüsebällchen. Unsere Tage haben wir damit verbracht die Fahrräder auf Vordermann zu bringen, Wäsche zu waschen und waschen zu lassen, Kuchen zu essen, Kaffee zu trinken, Shoppen zu gehen (natürlich nur Werkzeug und neue Trinkflaschen), durch die Stadt und den Park zu schlendern, Bücher zu lesen und Mittagspause zu machen. Das Haus unseres Gastgebers lag ganz in der Nähe des Stadtzentrums Tamel. In Tamel spielt sich hauptsächlich der Tourismus ab. Es gibt eine wunderschöne Altstadt, mit vielen Innenhöfen und schmalen Gassen. Überall sind Restaurants, Bäckereien und Cafés. Alles ist voll mit Outdoorläden und Handcraft Shops. Durch die schmalen Gassen schlängeln sich bunte Fahrradrikshas und Obstverkäufer. Doch hauptsächlich werden die Gassen von Rucksack und Hut tragenden Touristen verstopft. Wenn nicht überall die kleinen bunten Wimpel hängen würden und man nicht an jeder Ecke bunte Filzsachen und nepalesische Andenken kaufen könnte, würde man genauso gut durch irgendeine andere europäische Stadt schlendern können. Trotzdem haben wir es genossen und einen kleinen Urlaub im Urlaub gemacht. “Im Café sitzen, Tiramisutorte essen, richtigen Kaffee trinken und ein deutsches Buch lesen“. Und dafür sind wir zehn Monate Fahrrad gefahren? Schon verrückt, dass dies 8.000 km Luftlinie von Hamburg entfernt möglich ist. Ein eindeutiges Erkennungsmerkmal dafür, dass man dann doch nicht in Hamburg ist, sind die Stromkabel (siehe Foto). Wer da noch einen Durchblick hat, hat einen Orden verdient und wenn man die Kabel etwas höher hängen würde, wären wir auch nicht immer darin hängen geblieben :D

Sonntag, 16. Juni 2019

Ein Tag am Tempel

Überall von dem Highway nach Kathmandu aus konnte man kleine und große Tempelanlagen sehen. Mal war es ein hinduistischer und mal ein buddhistischer Tempel. Manche hatten wunderschöne Wiesen drum herum und andere waren mit Schotter umgeben. Wir haben nie wirklich für einen Tempel angehalten, irgendwie hatten wir in Indien schon so viele gesehen, dass wir das Gefühl hatten schon alles zu kennen. Bei jeder Familie wurden wir mindestens zu einem Tempel geschleppt. Wir haben uns hinduistische Prozeduren angeschaut und den ganzen Rauch der Räucherstäbchen eingeatmet. Hin und wieder wurden wir selber Teil der Rituale. Uns wurden Punkte auf die Stirn gemalt, wir bekamen Bänder um die Handgelenke gebunden und wir haben Wasser über die Götter (Statuen) gekippt, wir haben Bananen als Geschenk Gottes erhalten und es wurden uns Blumenblätter zwischen die Haare gesteckt. Bei meinen kurzen Haaren haben die Blätter allerdings nicht lange gehalten. Wir haben zu bestimmten Feiertagen bestimmtes Essen gegessen und wir haben große und kleine Glocken geläutet. Wir haben gefühlte hundert verschiedene Götter betrachtet und haben uns immer wieder die kleinen Tempel, die die Menschen in ihren Häusern haben, angeschaut. Dabei haben wir nie vergessen unsere Schuhe auszuziehen und sind immer still und respektvoll unseren Gastgebern gefolgt. Solange, bis wir gemerkt haben, dass der Tempel kein Ort des Schweigens ist, sondern ein Ort, wo gelebt wird. Die Menschen schlagen gegen die Glocken, wenn sie den Tempel betreten, sie blasen in ein Horn, bevor sie sich dem Gott widmen, sie reden laut vor sich hin, streuen Blumen, Reis und Wasser um sich und singen gemeinsam im Kreis und trommeln dazu. Der Lautsprecher ist immer auf volle Lautstärke gedreht, sodass auch wirklich alle teilhaben können. Also auch wir, als wir morgens um fünf lieber noch etwas länger geschlafen hätten. Es kam so: Wir hatten unsere Kilometernzahl für den Tag erreicht, hatten uns mit Wasser, Bananen, Haferflocken und Instantnudeln eingedeckt und waren auf der Suche nach einem Zeltplatz. Und da tauchte zu unserer Linken plötzlich eine große Tempelanlage auf, die ihre Tore weit geöffnet hatte. Es war wie ein Geschenk für uns und uns war beiden klar, dass wir die Nacht dort verbringen würden. Es war einfach perfekt. Der Baba (in Hindi ist es die Anrede für einen Mönch) hieß uns willkommen und zeigte uns Schlafplatz, Wasser und Toilette. Er selbst lebte hier und pflegte die Anlage. Der Ort war ruhig, abseits vom Ort auf einem Hügel gelegen und zu dieser Zeit kaum besucht. Aber nur so lange, bis drei Reisebusse vor den Toren hielten und tausende Menschen auf die Anlage strömten. Die Glocken vor den Tempeln, erklangen pausenlos, Picknickdecken wurden ausgebreitet und Kochutensilien ausgepackt. Wir erfuhren, dass es sich um eine große Reisegruppe aus Indien handelt, die für drei Wochen mit dem Bus durch Indien und Nepal fährt, um alle bedeutenden Tempel zu besichtigen. Gegessen wurde trockener Reis und dazu gab es natürlich noch einen viel zu süßen Tee. Nachdem jeder gegessen und seinen Teller wieder abgewaschen hatte, Besteck benutzen sie ja nicht, ging es weiter nach Kathmandu. Geschlafen wurde im Bus auf schmalen Liegen und Pausen gab es nur zum Essen, Tee trinken und Tempel besichtigen. Wir waren froh als sie wieder abgezogen waren und wir den Platz wieder für uns alleine hatten. Die Nacht war so warm, dass wir im Freien unter unserem Mückennetz schlafen konnten. Doch irgendwie hat uns unser Zelt, unser kleines Haus, gefehlt und die nächste Nacht haben wir wieder im Zelt verbracht. Ansonsten war die Nacht sehr ruhig, bis morgens um fünf Uhr der Baba seine Lautsprecher aufdrehte und ein besprochenes Tonband abspielte. Es war eher ein Sprechgesang, der hin und wieder von einer eintönigen Musikeinlage unterbrochen wurde. Wir waren also hell wach und hörten uns dreißig Minuten lang diesen “Gesang“ an. Währenddessen ging der Baba von Statue zu Tempel zu Göttern und Kühen, putzte die Plätze und verteilte Räucherstäbchen. Er öffnete die Tore, sodass die ersten Menschen hereinkommen konnten. Zuerst waren es nicht viele, aber im Laufe des Tages kam einiges zusammen. Während wir unser Frühstücksbrei kochten, sprach der Baba schon mit den ersten Leuten. Er wird den ganzen Tag kein Essen anrühren und erst spät abends etwas essen. Die Leute mit denen er sprach kamen alle mit einem Anliegen zu ihm. Es waren ganz unterschiedliche Gründe. Krankheit, Entscheidungsfindung, Schmerzen, Familienangelegenheiten usw. Der Baba gab ihnen etwas von seinen selbst hergestellten Heilmitteln, sprach einfach nur mit ihnen oder segnete sie. Doch ich muss sagen, dass wir nie so richtig heraus bekommen haben, was wirklich vor sich ging. Zur Mittagszeit kam wieder eine dieser Tempel-Reisegruppen vorbei, die zum Essen den Platz belagerten und nach dem Abwasch wieder verschwanden. Den Baba haben wir den ganzen Tag nicht richtig gesehen, da immer wieder Menschen mit ihren Anliegen zu ihm kamen. Er nimmt kein Geld für seine Dienste und lebt ganz von den Spenden der Menschen. In den hinduistischen Tempeln wird nicht nur Geld als Gabe überbracht (gespendet), sondern auch Bananen, Reis und Süßigkeiten. Am Ende des Tages bekamen auch wir etwas von den Bananen ab, die in den Tempeln als Geschenk Gottes an die Menschen überreicht werden. Ja richtig, erst schenken die Menschen den Göttern Bananen und dann bekommen sie wieder welche zurückgeschenkt. Und dafür zahlt man meistens auch noch ein bisschen. Für uns war es sehr interessant mitzubekommen was für ein Treiben an solchem Tempel stattfindet und wie viele Menschen in ihrem täglichen Tagesablauf zum Tempel gehen. Mit nur einmal am Sonntag in die Kirche gehen ist es hier nicht getan. Doch wo die Menschen einmal am Sonntag in die Kirche gehen, erzähle ich Euch in dem Bericht über Kohima/Nagaland.

Sonntag, 9. Juni 2019

Nationalpark

Bis zum Jahre 1988, wo das 968 km² große Gebiet den Status eines Nationalparks erhielt, wurde in dieser Gegend gewildert. Tiger wurden wegen ihrer Fälle gejagt und es kam immer wieder zu tödlichen Zusammentreffen von wilden Tieren und den Dorfbewohnern. Heute ist der Bardia-Nationalpark streng überwacht und geschützt und seine Pflanzenvielfalt umfasst 839 Arten. Des weiteren beherbergt der Nationalpark Populationen seltener Wildtiere wie Bengaltiger, Barasingha-Hirsche, Asiatische Elefanten, Hirschziegenantilopen, Ganges-Gaviale, Sumpfkrokodile, Gangesdelfine und Panzernashörner. Weitere Großtierarten sind Leopard, Wildschwein, Muntjak, Schweinshirsch, Axishirsch und Nilgauantilope. Zu den seltenen Vogelarten des Parks zählen Saruskranich, Flaggentrappe und Barttrappe. Insgesamt kommen im Nationalpark über 30 Säugetier- und über 230 Vogelarten vor. Dazu kommen verschiedene Arten von Schlangen, Echsen und Fischen. Wir wurden schon gleich an der Grenze von Indien nach Westnepal von Prem abgefangen und zu seinem Haus eingeladen. Er ist klein, trägt eine Brille und scheint sich sehr für sein neues Hobby einzusetzen. Seit einigen Monaten beherbergt er nämlich Gäste auf seinem kleinen Hof nahe dem Bardia-Nationalpark. Und wenn die Gäste es wünschen, begleitet er sie als Privatführer durch den Nationalpark auf der Suche nach dem Tiger und anderen wilden Tieren. Bevor er dieses kleine Business startete, hat er in einem Restaurant ausgeholfen, mal hier und mal da gearbeitet und viel zu wenig Zeit für die Familie und den Hof gehabt. Dank seiner Lizenz als Guide kann er jetzt kleine Touristengruppen durch den Nationalpark führen und so sein Hobby mit der Arbeit verbinden. Uns kam seine Einladung sehr gelegen, da uns die Hitze sehr zu schaffen gemacht hat und wir so eine Nacht in einem Raum mit Ventilator verbringen konnten und nicht im stickigen Zelt. Nach dem wir den Entschluss gefasst haben uns gemeinsam mit Prem auf die Suche nach dem Tiger zu machen wurde es ernst. Morgens um 5.30 Uhr wurden Lunchboxen hergerichtet, literweise Wasser wurde in die Rucksäcke gefüllt und uns wurde ein gutes Frühstück vorgesetzt. 30 Minuten später standen wir den Rucksack geschultert bereit zum Aufbruch, als Prem zu uns stieß. Er war ganz in olivgrün gekleidet, trug ein Fernglas um den Hals und einen Stock unter dem Arm. “Meine Waffe gegen die wilden Tiere“ erklärte er uns und wir machten uns auf den Weg. Wir eilten schmale Wege entlang, um die besten Plätze abzuklappern, wo der Tiger morgens zum Trinken hinkommt. Also vielleicht hinkommt. Naja, also ein großes Vielleicht. Aber wir haben uns an jedem dieser Plätze hingehockt und gewartet, gewartet, gewartet und gewartet. Bis Prem seinen Rucksack wieder schulterte und es Zeit war zum nächsten Spot zu eilen. Wir haben einige andere Menschen getroffen, die auch irgendwo hinter Büschen und hohen Gräsern hockten. Hin und wieder mussten wir durch einen Fluss waten, der voll mit glitschigen Steinen war und von Krokodilen bewohnt wurde. Überall waren die riesigen Haufen von den Nashörnern neben und auf den Wegen zu entdecken und im Sand konnte man deutlich die Tigertatzen erkennen. Prem stoppte und zeigte mit seinem Stock auf eine freigekratzte Stelle im Gras. “Das ist die Markierung vom Tiger, die er auf seinem Weg setzt, um sein Revier zu markieren. Und diese hier ist frisch.“ Wir waren also dem Tiger auf der Spur. Dann erreichten wir einen Spot, an dem wir in Stellung gingen und wachsam die grasenden Hirsche mit ihren Rehen beobachteten. Denn wenn sie unruhig werden, kann das ein Zeichen für das Eintreffen des Tigers sein. Es regte sich jedoch nichts. Die Rehe kamen und gingen mit ihren Rehkitzen und wir saßen regungslos hinter den Büschen. Langsam fing alles an vor den Augen zu verschwimmen, die Mittagshitze trieb einem die Schweißperlen auf die Stirn und der Margen fing laut an zu knurren. Ein deutlich ungünstiger Zeitpunkt, da wir doch absolute Stille benötigten, um die sehr geringe Chance, den Tiger zu sehen, nicht völlig zu zerstören. Leise kruschtelte Prem in seinem Rucksack herum und kramte drei Lunchboxen hervor. Glücklich über den Reis haben wir uns über das Essen her gemacht. Mit vollem Magen lässt es sich gleich viel besser gucken und so habe ich auch gleich einen großen Stein in der Ferne entdeckt. Ich bin aber auch nur auf diesen “Stein“ aufmerksam geworden, da er irgendwie nicht so richtig dort hinpasst. Ich kniff die Augen zusammen und lehnte mich automatisch nach vorne, in der Hoffnung besser sehen zu können, aber auf diese Distanz brachte es herzlich wenig. Trotzdem saß ich nun dort und verharrte in dieser Position ganz auf den “Stein“ konzentriert. Jetzt bewegte sich der “Stein“ auch noch. Ich kniff die Augen noch weiter zusammen und sagte mir, dass das nicht sein könnte. Oder? Vorsichtig fragte ich Arne ob er auch den “Stein“ sieht. Der konnte aber nichts erkennen. Habe ich mir das alles also nur eingebildet? Nein, denn der “Stein“ bewegte sich wieder, diesmal deutlicher als zuvor. Aufgeregt schüttelte ich Arne an seinem Arm, sodass er erschrocken von seinem Handy aufschaute. Jetzt sahen wir es beide ganz deutlich: ein Nashorn. Es lief langsam von der Uferböschung hinunter zum Fluss. Wartete in die Mitte des Flusses und legte sich ins Wasser. Da war es nun und kühlte sich, stand hin und wieder auf, drehte sich um 180 Grad und lies sich wieder ins Wasser gleiten. Es sah aus wie ein Schiff, nicht wie ein Kanu, Nein, es war viel größer und beeindruckender. Ich habe ein Foto für Euch gemacht, vielleicht könnt ihr es ja entdecken ;) es ist auf dem letzten Foto zu sehen. Wir sind noch etwas weiter durch den Nationalpark geirrt, haben noch ein zweites Nashorn aus der Ferne beobachtet und waren irgendwann so kaputt, dass wir nur noch nach Hause wollten. Die Beine schmerzten und in den Schuhen bildeten sich Blasen. Wie sehr wir uns in diesem Moment nach unseren Fahrrädern gesehnt haben! Den nächsten Tag haben wir mit Muskelkarter bei Prem verbracht. Wir wurden reichlich von der Familie mit lokalem Essen bekocht und wir haben in einem seiner traditionellen Häuschen geschlafen, wo die Wände mit Kuhdung bestrichen wurden. Es roch jedoch nicht, sah aus wie Lehm und soll antiseptisch sein. Um uns abzukühlen sind wir nachmittags in den nahegelegenen Fluss gegangen und haben uns treiben lassen. Als wir gerade ans Flussufer stiegen, kam Prem und erzählte uns von einem Krokodil, welches im letzten Jahr hier an dieser Stelle ein Ferkel gefressen hat. Uns blieb der Mund offen stehen und ich zog schnell mein Bein aus dem Wasser. “Dieses Jahr gibt es aber keine Krokodile in diesem Fluss.“ sagte er ruhig. Was uns aber nicht wirklich beruhigte :D Die Vorstellung, dass so viele gefährliche wilde Tiere um uns herum leben, war völlig neu für uns. Im Zelt haben wir seit dem aber trotzdem noch geschlafen :D

Montag, 3. Juni 2019

36 Grad und es wird noch heißer..

Wir sind die letzten 60 km in Indien mit dem Truck gefahren. Unser Gastgeber hatte uns vor der Straße zur Grenze gewarnt und uns eine Mitfahrgelegenheit organisiert. Er hat uns nicht etwa vor Überfällen oder Sonstigem gewarnt, nein, nur vor dem Zustand der Straße. Eigentlich schrecken wir vor nichts und keinem Weg zurück, aber diesmal war es eine gute Entscheidung nicht mit dem Rad zu fahren. Wir haben die Räder hinten im Container des Trucks festgezurrt und uns nach vorne zum Fahrer gesetzt. Rausschauen konnten wir nicht wirklich, da das Sichtfenster so klein und niedrig war und wir mal wieder viel zu groß waren für die indischen Standards. Uns blieb lediglich ein kleiner Blick auf die Straße. Ich weiss nicht ob man das überhaupt noch Straße nennen darf, was da vor uns lag, es war wohl eher ein Schotterweg. Unbefestigter, aufgerissener Asfalt, Steine, Sand, Felsbrocken, Staub und Stau. Die Straße war streckenweise voll mit Geröll vom Berghang verdeckt. Ein Bagger mit einem Presslufthammer vorne dran, kloppte immer mehr Felsbrocken ab um so die Straße zu verbreitern aber auch zu versperren. Der zweite Bagger schob die ganzen Steine den Abgang hinunter, sodass die Vehikel hin und wieder auf einer schmalen Spur hindurch konnten. Dann galt: der bergauf fahrende Verkehr hat Vorfahrt und der bergab fahrende Verkehr muss zurück stecken. Wir fuhren gerade auf einem schmalen Stück am Berghang entlang, eine Kurve versperrte uns die Sicht auf den bergauffahrenden Verkehr, also fuhren wir auf gut Glück um die Ecke. Auf dem letzten schmalen Stück kam uns ein Truck entgegen, der uns gut sehen konnte und der auf seinem Stück eine kleine Ausbuchtung hatte, in der er warten und uns vorbei lassen konnte. Das war der einzig logische Weg. Der Truckfahrer entschied sich aber auf sein Vorfahrtsrecht zu bestehen und fuhr geradewegs in das schmale Stückchen hinein. Einen Meter vor uns kam er zum stehen und schaute uns fordernd an, warum wir nicht endlich aus dem Weg fahren. Doch wohin bitteschön!? Klar, was für eine dumme Frage von mir. Rechts von uns waren ja noch ein paar Steinbrocken, die vor dem Abhang lagen, auf die man ausweichen konnte. Also Rückwärtsgang rein und rauf auf die Steine. Ein bisschen hin und hergerutsche bringt uns schon nicht den Abhang hinab und unser Fahrer schien in Millimeterarbeit schon geübt zu sein. Immer wieder mussten wir auf dem Weg vor den ganzen Staubwolken schnell das Fenster schließen. Für einige Sekunden verschwand der Truck dann im Staubnebel und kurz vor uns tauchten die anderen Fahrzeuge aus dem Nebel auf. Eines knapper als des Andere. Die Nase war mit Sand verklebt und zwischen den Zähnen knirschte es. Ich habe jedes Mal erleichtert aufgeatmet, wenn uns eine dieser Staubwolken wieder frei ließ. Doch so richtig durchatmen konnte ich erst, als wir heile in der Stadt unten angekommen sind. Insgesamt haben wir 1600 Höhenmeter verloren und wer in der Schule aufgepasst hat weiss, dass mit 100 Höhenmetern die Temperatur um einen Grad sinkt bzw. steigt. Wir stiegen aus dem Truck und uns schlug die Hitze wie ein Faustschlag ins Gesicht. BUUM. Ehe wir uns versahen waren die Fahrräder ausgeladen und wir standen beide dort am Straßenrand neben unseren Rädern. Alles war völlig eingestaubt, die Räder unsere Klamotten, die Haare und die Haut. Langsam pappte der Staub am ganzen Körper fest und tropfte langsam mit den ersten Schweißperlen auf den Boden. Es war uns egal wo wir genau hin mussten, Hauptsache los und den Fahrtwind nutzen, um bei der Hitze einigermaßen klar zu kommen. Der Wetterbericht für die nächsten Tage: 36 Grad und es wird noch heißer. Wunderbar und dann dazu noch Fahrrad fahren. Schließlich hatten wir bis zu 43 Grad und wenn es mal “nur“ 38 Grad waren haben wir uns schon richtig gefreut. Wir haben aufgehört im Zelt zu schlafen und uns für den Nachmittag und die Nacht ein Zimmer mit einem Ventilator gesucht, um wenigstens ein bisschen klar zu kommen. Dennoch liefen einem die Schweißperlen vom Gesicht ins Kissen und am nächsten Morgen war alles klitschnass. Damit wir bei dem Wetter wenigstens etwas Fahrrad fahren konnten ohne gleich an einem Hitzeschlag zu sterben, sind wir morgens um fünf Uhr früh aufgestanden und los geradelt. Alle zwanzig Kilometer haben wir angehalten und einen Liter Wasser getrunken und die Flaschen aufgefüllt. An einem Tag hat jeder von uns bestimmt fünf Liter getrunken, aber auf's Klo musste davon keiner. Mittags hatten wir dann meist unser Tagesziel schon erreicht und konnten uns unter den Ventilator legen. Als es dann langsam in die Berge hoch nach Kathmandu ging wurde es schon wieder etwas besser und außerdem haben wir uns an dass Klima gewöhnt. Mittlerweile ist es auch nicht mehr ganz so heiss, also nur noch 32 Grad. Doch dazu kommt so langsam die Regenzeit und die Luftfeuchtigkeit steigt stetig. Das mit dem Duschen und Waschen habe ich schon fast ganz aufgegeben :D

Sonntag, 2. Juni 2019

Kastensystem

Die Herausbildung des indischen Kastensystems fand nach gängiger Einschätzung im 2. Jahrtausend v. Chr. statt. Nach der indischen Verfassung von 1950 darf kein Inder mehr wegen seiner Kaste diskriminiert werden, doch die Kastenzugehörigkeit hat bis heute in Indien kulturelle und soziale Auswirkungen auf viele Lebensbereiche. In eine Kaste hineingeboren zu werden bedeuten im hinduistischen Sinne sein ganzes Leben an diese Kaste gebunden zu sein und von ihr geprägt zu werden. Welche Bedeutungen und Auswirkungen es noch heute auf die Partnerwahl, Wohnsituation, gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten hat versuche ich Euch hier etwas näher darzustellen. Wir selber haben es oft am eigenen Leib erfahren und miterlebt, sowie auch aus Erzählungen geschildert bekommen. Noch kurz vorweg: Die Zuordnung einer Person zu einer Kaste sagt wenig über ihren Wohlstand aus. Es handelt sich weitgehend um eine Einteilung nach ritueller Reinheit und dem Aufgabenbereich, nicht jedoch um „Oberschicht“ oder „Unterschicht“, die sich nach finanziellen Kriterien richtet. Durch jahrhundertelange Ausbeutung findet sich Armut jedoch tendenziell mehr bei der “Unterschicht“ obwohl auch Angehörige der obersten Kaste, wirtschaftlich sehr schlecht gestellt sein können. So konnten wir oft schon an den Räumlichkeiten und der Wohnsituation erkennen, aus welcher Kaste die Familie abstammt. Dazu kommt der Besitz oder Nicht-Besitz von Autos und Angestellten. So wurden wir zwei Mal zum Frühstück eingeladen. Das eine Mal in ein einfaches Bauernhaus, wo es Tee mit Weizenfladen und grünem Chutney gab, was wir draußen im Freien auf einer Liege sitzend eingenommen haben. Die Fladen wurden vom eigenen Weizen gemahlen und über dem Feuer gebacken und das Chutney wurde aus Kräutern, die im Garten wuchsen, auf einem Stein zermahlen. Das andere Mal, nur einige Kilometer weiter, wurden wir in eine Penthousewohnung eingeladen. Dort wohnte das Ehepaar alleine, doch sie hatten gleich drei Angestellte, die uns ein mehrgängiges Frühstück auf den in Leinentücher eingedeckten Tisch zauberten. Ein anderes Mal waren wir bei einer Familie aus einer der obersten Kaste zu Besuch und der Sohn ist mit uns zum Essen gefahren, hat uns seine Stadt gezeigt und hat mit uns einen Ausflug zu den umliegenden Ortschaften unternommen. Er war unser Alter, hatte eine verheiratete Schwester, die bei ihrem Ehemann wohnte und er selbst lebte mit seinen Eltern in einem großen Haus. Bevor wir in sein Auto stiegen entschuldigte er sich dafür, dass das Auto nicht gewaschen ist und erklärte, dass die Haushaltshilfe verhindert war es noch rechtzeitig vor unserer Ankunft zu putzen. Auf dem Weg zum Restaurant haben wir noch einen seiner “Freunde“ eingesammelt, der kaum englisch sprach und eigentlich auch nur der Bruder von dem richtigen Freund war, der aber nicht konnte. Er zeigte uns den Weg, er aß mit uns und bestellte für uns das Essen und er stieg auf dem Rückweg aus dem Auto, um Pan (Munderfrischer) für uns zu besorgen. Am nächsten Tag sind wir mit dem Auto erneut los gefahren und als erstes haben wir wieder einen “Freund“ eingeladen, diesmal einen anderen, da der von gestern Abend keine Zeit hatte. Als erstes sind wir dann zu der sich im Aufbau befindenen Fabrik unseres Gastgebers gefahren und haben dort das Auto von einem der Arbeiter waschen lassen. Der “Freund“ musste uns, während wir warteten, mit Wasser und Tee versorgen. Als wir anschließend zu einem See gelaufen sind musste er den Rucksack tragen und als wir noch ein Kuchen essen wollten musste er aussteigen und in Erwähnung bringen ob es eine Klimaanlage in den Räumlichkeiten des Cafés gibt. Erst dann hat sich unser Gastgeber bequemt selbst auszusteigen. Wir haben ihn gefragt, was das mit seinen “Freunden“ auf sich hat und da sagte er uns: “Ich brauche einen, der für mich läuft und aus dem Auto steigt, wenn etwas gebraucht wird“. Lachend meinte er noch er sei Faul, doch die Wahrheit ist, wenn er bei einem Freund im Auto sitzt, der einen höheren Stand hat als er, ist er derjenige, der laufen muss. So geht die Leiter von oben herab. Und wir haben noch viele weitere Male miterlebt, dass Menschen aus einer unteren Kaste für Menschen aus einer höherem Stand Erledigung verübten. Die Auslegungen der Gesellschaftsordnung mit ihren Kriterien innerhalb des Kastensystems werden regional unterschiedlich gehandhabt und auch unterschiedlich ausgelebt. In Großstädten ist es beispielsweise weniger Thema als auf dem Land. So gibt es auf dem Land häufiger arrangierte Hochzeiten als in der Stadt. Einmal spielt die Tradition und die Dringlichkeit eine große Bedeutung, warum die Eltern sich zu einer arrangierten Hochzeiten entscheiden und dann gibt es noch den religiösen Grund, warum die Eltern auf eine arrangierte Hochzeit bestehen. Die Tradition besagt, dass die Tochter nach der Heirat bei der Familie des Ehemannes lebt und dort für sie gesorgt wird. Der Sohn allerdings bleibt nach der Vermählung im Elternhaus und sorgt sich da mit seiner Frau zusammen um die Eltern. Daher auch die Dringlichkeit einer Vermählung des Sohnes, da die Eltern im Alter nicht nur körperliche Hilfe benötigen, sondern auch finanzielle Unterstützung. Es lässt sich ganz gut heraus hören, wie wichtig es ist einen Sohn zu gebären, um seinen Ruhestand zu sichern. Wenn wir die Eltern fragen wie viele Kinder sie haben, spielen die Töchter oft gar keine Rolle und sie werden erst auf unsere Nachfrage hin erwähnt. Einige Familien haben drei ältere Mädchen und einen jüngsten Sohn. Andere Familien haben nur einen Sohn, woran man auch eventuell erkennen kann, dass so lange gewartet wird bis ein Sohn zur Welt kommt, der den Ruhestand sichert. So sieht man die Tradition und Dringlichkeit der (arrangierten) Hochzeiten. Arrangierte Hochzeiten aus religiösen Gründen heraus gehen oft nur von den Eltern aus, denn so wie auf der Hochzeit der wir beigewohnt haben, weiß die jüngere Generation meist nicht über die ganzen Rituale bescheid und folgt nur den Anweisungen der Eltern. Wie ich schon in einem der älteren Einträge geschildert habe, werden die arrangierten Hochzeiten nur innerhalb der eigenen Kaste vollzogen, um die Familie nicht zu “entehren“. Arrangierte Hochzeiten aus religiösen Gründen gibt es überall, doch auf dem Land gibt es vermehrt arrangierte Hochzeit, da die Menschen es aus einer langen Tradition heraus machen und die Dringlichkeit höher ist als in den Großstädten, wo die finanzielle Absicherung oft einfacher ist als auf dem Land. Wir haben einen Freund, der ein Mädchen aus einer anderen Kaste liebt und die beiden sind auch schon seit vier Jahren ein Paar. Doch nur im Verborgenen. Keiner der Eltern weiss etwas davon und sie treffen sich immer heimlich und unter falschen Vorwänden. Sie, die Freundin, studiert noch für zwei Jahre und ist sehr froh über die Zeit die ihnen noch bleibt, bevor sie verheiratet wird. Diese Liebe wird wahrscheinlich keine Zukunft haben, da die Familien der Verbindung nicht zustimmen werden. Ja, die Eltern haben einen großen Einfluss und keiner lehnt sich seinen Eltern gegenüber auf, geschweige denn verlässt sie. Familie ist das Wichtigste. Wir haben auch schon Eltern getroffen, die es ihren Kindern selbst überlassen haben, ob, wen und wann sie heiraten wollen, aber wie schon erwähnt, ist das meist in den größeren Städten und hängt oft mit der damit einhergehenden Bildung zusammen, zu der die Menschen in der Stadt einen besseren Zugang haben als auf dem Land. Wenn wir bei unseren Gastgebern oder bei einem Teeshop ankommen wird uns als erstes ein Stuhl angeboten. Manchmal müssen andere dafür stehen oder auf dem Boden hocken. Auch wenn wir das nicht wollen und liebevoll den Stuhl ablehnen, werden wir schon fast gezwungen uns zu setzen. Bei einer unserer Gastfamilien habe ich mich einmal in die Hocke gesetzt, um auf dem Sofatisch kurz meine Notizen zu schreiben. Da kam der älteste Sohn (27 Jahre) und bot mir an dass ich mich doch auch auf den Stuhl setzen könnte. Ich erwiderte ein “Nein danke, ich bin sowieso fast fertig“ und da zwang er mich fast auf den Stuhl und erklärte mir später: “nur die Menschen aus den unteren Kasten sitzen auf dem Boden“. Mir ist der Mund offen stehen geblieben, doch er meinte es völlig ernst. Früher waren grundsätzlich keine gemeinsamen Mahlzeiten erlaubt, da Hochkastige das gemeinsame Mahl mit Niedrigkastigen als verunreinigend empfanden. Heute ist die traditionelle Trennung zwischen den einzelnen Gesellschaftsgruppen auch in diesem Bereich großteils aufgehoben. In ländlichen Gegenden jedoch sind die alten Strukturen oft noch fester verankert. So waren wir für ein paar Tage bei einem Freund, der ursprünglich aus einer Großstadt kommt, aber seit ein paar Jahren auf dem Land wohnt. Er lebt dort mit vielen Nachbarn, die nicht alle aus einer gleichgestellten Kaste kommen, doch für ihn spielt es keine Rolle und er lehnt das Kastendenken völlig ab. Er isst mit all seinen Nachbarn, er gibt ihnen Arbeit, er lässt sie für sich kochen und er gibt ihnen einen Stuhl zum sitzen. Für die meisten aus einer unteren Kaste ist es ungewohnt, dass sie neben ihm auf einem Stuhl sitzen dürfen und es ist oft ein Kampf, bis er es schafft, dass sie den Stuhl wirklich annehmen und nicht auf dem Boden hocken bleiben. Er behandelt alle gleich und macht keine gesellschaftlichen Unterschiede. Seine Freunde aus dem Dorf jedoch, die auch aus höheren Kasten stammen, haben den Kontakt zu ihm abgebrochen, da sie der Meinung sind, dass er verunreinigt ist, da er mit den Menschen aus einer unteren Kaste speist und er es zulässt, dass sie sein Essen kochen und anfassen. Ist das vorstellbar?

Samstag, 1. Juni 2019

Himalaya

Auf der indischen Seite des Himalayas, haben wir uns einige Tage durch die Berge gekämpft. Jedes Tal sah anders aus, jeder Berg war unterschiedlich schwer zu erklimmen. Einmal war es steil und schlecht ausgebaut, ein anderes Mal waren es sanfte Serpentinen, die uns den Berg hoch brachten. Einmal war es sehr grün und fast wie ein Urwald und nur einen Berg weiter, war ein Nadelwald und wieder einen Berg weiter war alles trocken. Manchmal war es nur eine Kurve, die die Landschaft komplett veränderte. Einmal war alles sehr dicht und man konnte kaum weit schauen und dann nur kurze Zeit später hatten wir einen freien Blick auf die schneebedeckten Bergketten. Da wir die Berge sehr sehr langsam hinauf gekrochen sind, konnten wir nebenbei immer sehr gut beobachten, wie die Frauen in den Bäumen herumkletterten, um grüne Blätter für die Tiere abzuschneiden. Die haben sie dann zu Bündeln zusammengefasst und auf dem Kopf nach Hause getragen. Wir konnten sehr schön sehen, wie sie auf den in den Berg gegrabenen Plattformen mit Ochsen und von Hand das Feld bestellten, pflegten oder ernteten. Überall gab es etwas zu sehen. Und auch die Menschen, ihre Sitten, ihr Baustil, ihr Aussehen und ihre Lebensweise hat sich oft von Berg zu Berg verändert und es war jedes Mal etwas neues zu entdecken.